Ansprache des Generalkonsuls Feng Haiyang auf dem Deutsch-Chinesischen Wirtschaftstag der DCW - "Industrie 4.0" und "Made in China 2025"
2015/09/30
Sehr geehrter Staatssekretär Dr. Horzetzky,
sehr geehrter Herr Schmitz,
sehr geehrter Herr Molsner,
sehr geehrter Herr Dr. Görg,
sehr geehrter Herr Wu,
liebe Unternehmer, liebe Freunde,
meine Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Einladung. Ich darf heute über das Thema „Made in China 2025" und „Industrie 4.0 in Deutschland" sprechen.

Gestatten Siemir, Ihnen zuerst das Aktionsprogramm der chinesischen Regierung „Made in China 2025" vorzustellen.

Die chinesische Regierung ist der festen Überzeugung, dass es drei Jahrzehnte dauern wird, bis China von einer großen Industrienation zu einer starken Industrienation aufsteigt. „Made in China 2025" ist das Aktionsprogramm für das erste Jahrzehnt, das Bestandteil von insgesamt drei Schritten ist.

Was beinhaltet das Aktionsprogramm, um von „Groß" zu „Stark" zu werden? Wir können das zusammenfassen mit den Ziffern „1-2-3-4-5-5-10".

„1" ist nämlich das eine Ziel, eine starke Industrienation zu werden.

„2" bedeutetdie hochgradige Integration zweier Methoden: der Industrialisierung und der Informationstechnologie.

„3" Hierfür werden drei Schritte vorgesehen, um das Ziel zu erreichen. Jeder Schritt dauert circa zehn Jahre. Der erste Schritt dauert bis 2025. Bis dahin soll China zu den starken Industrienationen gehören. Beim zweitenSchritt bis 2035 will China in der Reihe der starken Industrienationen ins Mittelfeld vorrücken. Der dritte und letzte Schritt endet vor dem 100. Jubiläum der Gründung der Volksrepublik China. Wir wollen bis dahin unsere Produktionskapazitäten und -kompetenzen erweitern und die ersteren Plätze einnehmen.

„4"Vier Prinzipien helfen uns dabei: 1) Marktorientierung mit der öffentlichen Lenkung durch Verwaltung; 2) Stehen in der Gegenwart mit langfristigem Blick in die Zukunft; 3) umfassende Förderung mit Durchbrüchen bei den Schwerpunkten; 4) selbstständige Entwicklung, Zusammenarbeit und gemeinsamer Gewinn.

„5" Mit der ersten Ziffer „5" meinen wir fünf Leitfäden: 1) getrieben durch Innovationen; 2) Qualität als höchste Priorität; 3) grünes Wachstum; 4) Optimierung der Struktur und 5) qualifiziertes Personal im Fokus. Genau das sind momentan die Schwächen der chinesischen Industrie.

Mit der zweiten „5" meinen wir fünf große Projekte als Baustellen. 1) Aufbau von Innovationszentren für produzierendes Gewerbe;2) Aufbau starker Industriestandorte mit dem Ziel der Stärkung des Anlagenbaus; 3) intelligentmanufacturing; 4) greenmanufacturing und 5) Innovation des High-End-Anlagebaus

„10" Zehn Schlüsselbranchenwerden definiert. Sie sind: moderne Informationstechnologien, moderne NC-Maschinen und Robotik, Luft- und Raumfahrt, Offshore-Engineering & High-Tech-Schiffe, moderner Schienenverkehr, Energieeffizienz und Automobil mit erneuerbarem Antrieb, Stromerzeugung und -anlagen, Biomedizin und moderne medizinische Geräte sowie landwirtschaftlich genutzte Anlagen.

Das führt mich zur zweiten Fragestellung:Was hat die Industrie 4.0 in Deutschland mit „Made in China 2025"gemeinsam und wo sind die Unterschiede.

Aus der chinesischen Perspektive könnte man es grob zusammenfassen, dass beide Länder das Gemeinsame wollen, ohne vorher miteinander abstimmen zu müssen. Wir spielen das gleiche Lied, nur mit unterschiedlichen Instrumenten.

Das Gemeinsame wirdauf der Ebene der Aufgabenstellung oder der Mission gesehen, dass beide Länder mit Blick auf die neue Technologierevolution und die anstehende Industrierevolution ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit in der globalisierten Industrieproduktion für sich sichern wollen. Wir wollen unsere eigene Stärke ausspielen, um mehr Wachstum zu erreichen. Das war das erste.

Zweitens, von der theoretischen Ebene ausgehend setzen beide Länderauf tiefgehende Verneutzung der Informationstechnologien und der Produktionstechnologien. „Industrie 4.0" in Deutschland trifft vor allem High-End-Anlagenbauer, die das „Physikalische System der Informationen" aufbauen wollen, damit die „Smart Factory" möglich wird. „Made in China 2025" setzt auf das Leitmotiv „Integration der IT-Technologie und der Industrialisierung", fördert „Intelligent Manufacturing", erfindet neue Modelle unter den neuen Bedingungen der IT-Industrialisierung und neue Wertschöpfungsketten. Beide Ideen sind in diesen Hinsichten ähnlich, insbesondere beim Grundgedanken, dass IT und modernes Gewerbe enger zusammen rücken müssen.

Die Unterschiede liegen jeweils in der Entwicklungsphase, der Entwicklungshistorie und den strategischen Aufgaben.

Erstens, Deutschland ist bereits heute eine starke Industrienation und ein führender Produzent von Industrieendprodukten. China hat dagegen einen größeren Nachholbedarf im Vergleich zu Deutschland in Bezug auf die Investitionen in Forschung und Entwicklung, das technische Know-How, die Qualität der Produkte und das Ansehen unserer Markenzeichen.

Zweitens, die Industrie 4.0 in Deutschland kann heute über die Bühne gehen, nachdem die Industrie 1.0, die Industrie 2.0, und die Industrie 3.0 im Großen und Ganzen schon abgeschlossen wurden. Das ist eine natürliche industrielle Serienentwicklung.Die Industrie in China befindet sich noch in einer Phase, wo sich die Industrie 2.0 und die Industrie 3.0 parallel entwickeln. Die Industrie 2.0 müssen wir nachholen, 3.0 verbreiten und die Industrie 4.0 als Vorzeigeprojekte öffentlich vorstellen. Deswegen sind die chinesischen Aufgaben noch komplizierter und schwieriger.

Drittens, die Industrie 4.0 in Deutschland hat Maßnahmen in Vorbereitung auf die nächste Technologierevolution ergriffen und lediglich den High-End-Industrie und die High-End-Segmente im Blick. „Made in China 2025" ist ein gesamtes Konzept für die Veredelung aller Industriezweige. Wir haben nicht nur die Wege und Maßnahmen auszuarbeiten, die neue Industrie anzusiedeln, müssen aber auch die alte Industrie modernisieren. Gleichzeitig müssen auffällige Konflikte und Probleme wie Innovationsfähigkeiten, Produktqualität und alte Industriestandorte gelöst werden.

Das führt mich zu meinem dritten Punkt: China ist auf dem Weg, von einem Billiglohn-Land zu einem neuen Wachstumsmodell überzugehen, bei dem alle Produktionsfaktoren effizient berücksichtigt werden. Stichwort: Totale Faktorproduktivität. Die Industrie, die nach wie vor eine wichtige Rolle für das Wirtschaftswachstum spielt, erwartet einen Wandel. Ihr werden neue Wachstumsmodelle auferlegt. Das ist für ein Land eine Herausforderung, für die Investoren ist es zweifelsohne eine Chance, die es in dieser Form nie gegeben hatte.

Erstens, die alte Industrie wird langsam ersetzt oder veredelt. Die neue Industriewirdmit hohem Tempo angesiedelt. Das ist ein Prozess und braucht viel Zeit. In dieser Zeit ist Chinas Industrie nicht in der Lage, die Lücken auf diesen riesigen Märkten in Bezug auf Umfang, Qualität und erforderliches Niveau zu füllen. Nach Statistiken der chinesischen Zollbehörden wurden im Januar 2015 3588 Industrieroboter eingeführt. Das entspricht einem Wachstum von 37,5 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die gesamten Zollwerte betrugen 380 Millionen Yuan. In den ersten drei Monatenwurden nach China 19.186 Werkzeugmaschinen eingeführt. Wachstumsrate: 6,9 %. Zollwert: 12,85 Milliarden. 16.538 Anlagen für automatische Datenverarbeitung undZubehöre wurden importiert, Wachstumsrate 6,5 %, Zollwerte39,66 Milliarden. Der Strukturwandel in China bietet deutschen Unternehmen einen enormen Spielraum für Investitionen.

Zweitens,betrachten wir gemeinsam die Prozesse, wie die Industrie in China überhaupt entstand, wie zum Beispiel die der Haushaltsgeräte, der Computer, der Kraftfahrzeuge oder des Internets, werden wir feststellen, dass ausländische Investoren, die über modernes technischesKnow-how und wissenschaftlichesManagement verfügten und rechtzeitig den Kurs auf China gesteuert hatten, zu den größten Gewinnern gehören. Nach MOFCOM-Statistik wurden vom Januar bis Juni 2015 11,914 ausländische Unternehmen neu gegründet. Das waren 8,6 % mehr als der Vorjahreszeitraum. Die gesamte Summen der ausländische Investitionen betrogen de facto 68,41 Milliarden US-Dollar, das waren 8,3 % mehr als der Vorjahreszeitraum. Nach der Statistik der Deutschen Außenhandelskammer in China hatten 65 % in das produzierende Gewerbe investiert. Mehr als die Hälfte der deutschen Forschungsinstitutionen haben ihre Niederlassungen in China eingerichtet. Das sind Indikatoren, die sagen, dass China nach wie vor der Markt ist, der von internationalen Kapitalgebern geschätzt wird. China ist auch in Zukunft nach wie vor open-minded auf dem Markt, sowohl für die Erneuerung alter Industrie, als auch für das Entstehen neuer Industrie. Unternehmen, die diesen Strukturwandel als Chance nutzen, werden künftig kräftig belohnt.

Drittens, viele Freunde wissen, dass ich früher, bevor ich nach Düsseldorf wechselte, in einer chinesischen Kommune gearbeitet hatte. Ich habe ein realistisches Bild über den Stand der chinesischen Industrie aus der Perspektive der Kommunen. Nachdem ich nach Düsseldorf gewechselt hatte, habe ich mich intensiv mit meinem konsularischen Gebiet beschäftigt. Ich hatte umfassende und tiefgehende Kontakte mit Vertretern der Industrie und des Handels aus meinem konsularischen Gebiet sowie Vertreternchinesischer Unternehmen. Ich bin fest überzeugt, dass deutsche sowie nordrhein-westfälische Unternehmen beim Strukturwandel der chinesischen Industrie eine Vielzahl von reellen Chancen haben.

Erstens. Es gibt viel zu tun im Prozess des Strukturwandels.Im Strukturwandel stehen zwei Maßnahmen in Vordergrund.Erstens, Anpassung der Industriestruktur; zweitens:Erweiterung der Industriestruktur. Alle wissen, dass unter den strategisch wichtigen Industrien modernem Anlagenbau, neuen Materialien, erneuerbaren Energien, dem Umweltschutz große Marktchancen zugesprochen wurden. Das können Unternehmen aus Deutschland und Nordrhein-Westfalen gut. Auch in der Dienstleistung sind Unternehmen in Deutschland und Nordrhein-Westfalen wettbewerbsfähig in Bezug auf innovatives Design, technische Forschung und Entwicklung sowieVertrieb und Service. Deswegen können deutsche und NRW-Unternehmen beim Umbau der Produktionskapazitäten in China unterschiedliche Instrumente bedienen, wie Übernahmen und Zukauf, um sich die Marktanteile zu sichern. Bei der Ansiedlung von neuen Industrien und dem Aufbau neuer Produktionskapazitäten können deutsche und NRW-Unternehmen direkt investieren, um sowohl in der Produktion als auch in der Dienstleistung die Märkte zu sichern.

Zweitens,es gibt viel zu tun, um die Produkte zu erneuern und die Produktstruktur zu optimieren. Vielen alten Industriestandortenin China bleibt der einzige Ausweg, die traditionellen Industrieprodukte mit Hilfe moderner Technologie und technischen Know-hows komplett zu erneuern. Und das wiederum bedeutet Markt für deutsche und NRW-Unternehmen, die über entsprechende Kerntechnologien Verfügung.

Drittens,man kann auch bei den Fragen der Rechtsformen und der Verwendung der Gewinne zusammenarbeiten. Viele chinesische Unternehmen in den alten Industriestandorten müssen beides neu ausarbeiten. Sie müssen vom OEM (Original Equipment Manufacturer)zum ODM(Original Design Manufacturer)bis hin zu OBM (Original Brand Manufacturer) saniert werden. In diesem Prozess sind natürlich Impulse aus dem Inneren des Unternehmens von Nöten. Die Schubkraft von draußen wäre ebenfalls von großer Bedeutung. Und Sie, Unternehmen aus Deutschland und NRW, können das leisten, chinesischen Unternehmen diese Schubkraft zu verleihen. Wenn Sie diesen Markt intensiv bearbeiten, können Sie gutes Geld verdienen.

Viertens, in diesem Hintergrund werden viele chinesische Unternehmen nach Deutschland kommen, um sich in NRW anzusiedeln. Sie werden versuchen, eine „Kooperation zwischen den Starken" mit den deutschen Unternehmen abzuschließen. Sie erhoffen sich den Zugang zur modernen Technologie der deutschen Partner sowie den Zugang zum Netzwerk vom Vertrieb und Service. Eine sachliche Zusammenarbeit der deutschen Unternehmen mit ihren chinesischen Partnern, die gegenseitige Gewinne zum Ziel haben, wird auch dazu beitragen, dass die Produktionskosten gesenkt werden und der Markteintritt nach China erleichtert wird, damit Deutschland weiterhin die führende Position unter den Industrienationen hat und die deutsche Industrie weltweit wettbewerbsfähig bleibt.

Meine Damen und Herren, liebe Freunde!

Ein chinesisches Sprichwort sagt:Das Wasser fließt immer abwärts, und der Mensch geht dagegen immer aufwärts. Die Wirtschaft spricht die Sprache des Kapitals und spricht mit ihren Investitionsentscheidungen. In dem Hintergrund, dass der Kapitalfluss, die Industrie, und die Technologien weltweit neu geordnet werden, kann die chinesische und deutsche Industrie sich gegenseitig ergänzen. Daraus ergibt sich ein Synergieeffekt der Innovation. Und diese Zusammenarbeit wird Früchte tragen.

In dem Sinne danke ich den Organisatoren des DCWT, dass Sie mir die Chancen gaben.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

 

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